Die Fleisch fressenden Bienen (40)

Veröffentlicht auf von anna

 

Der Professor verließ unser Treffen gleich wieder.

Ich war dran. Die gerade gehörten Worte hatten mich völlig aus dem Konzept gebracht. Nichts war da gewesen von dem geheimen Telefonat. Meine ersten Worte versuchten noch, mein eigenes Konzept wenigstens nicht ganz zu begraben:

„Freunde, wir haben es mit einer schwer zu kalkulierenden Gefahr zu tun. Ich weiß, irgendwie trifft das immer zu, wenn wir ins Gleichgewicht der Natur eingreifen und es neben der beabsichtigten immer auch unbeabsichtigte, nicht vorhergesehene Nebenwirkungen gibt. Das Niveau jener noch in unserem einen Treibhaus festgehaltenen Insekten ist bereits eine Nebenwirkung, die wir nicht voraus berechnen konnten. Jeder weitere Eingriff kann zu etwas führen, was nicht mehr rückgängig zu machen ist. Und wir haben keine Ahnung, in welche Richtung die Entwicklung gehen kann. Mister Kantus schilderte uns die jetzt schon lebenden Wesen als einen schwärmenden Superman. Wenn wir wie geplant fortfahren, haben wir es danach wenigstens mit eine ganzen Horde von solchen Supermans zu tun, eine Armee vielleicht, wenn wir nicht noch eine unbekannte Metamorphose auslösen, deren Ergebnis absolut offen ist.“

Ich habe noch einiges mehr gesagt, aber es waren eigentlich nur ein Rückzugsgefecht. Ich sah die Ablehnung in den Augen meiner Mitarbeiter, wenn ich einmal die Besorgnis in Romanas Blick ausklammere. Mein wichtigstes Haupthandicap aber war ein anderes: Ich hatte kein überzeugendes Gegenkonzept. Die Monster im Treibhaus mit Giftgas zu töten wäre auch für mich nur infrage gekommen, wenn sie die einzigen auf der Welt gewesen wären. Ich wusste nicht, ob die anderen das wussten, aber ich hatte gesehen, dass es draußen andere gab. So endete der Tag mit der beeindruckenden Festlegung, am folgenden den Arbeitsplan zu spezifizieren. Und ich war mir sicher, dass das ein Arbeitsplan sein würde, den auch die Bienen kennen durften. Wir hätten nicht solch Aufwand treiben brauchen, um uns das Wochenende zu verderben.

Ich war unzufrieden mit mir. Nein. Ich sage das nur so, um nicht in Kraftausdrücke zu verfallen. Ich war eigentlich davon überzeugt, nicht mehr an einem Spiegel vorbeizukommen, ohne dem Typen darin ins Gesicht zu spucken.

Noch dazu wurde mir etwas bewusst, was mir anfangs erst eine vage Ahnung gewesen war. Ich lud mir die Aufzeichnung von Kantus´ und Yong-Browns Rede runter und wusste es nun genau: Wesentliche Passagen waren Wort für Wort identisch. Das konnte kein Zufall sein. Als ich den Computerraum verließ, bildete ich mir ein, am Fenster wäre ein Schatten verschwunden. Ich verharrte einen Moment schweigend. Von Sekunde zu Sekunde wurden die Feiergeräusche aus dem Gemeinschaftsraum lauter. Selbst wenn es andere gab, die würde ich kaum heraushören. Es graute mir. Im Moment vermisste mich wahrscheinlich niemand, aber sobald ich zu den anderen ginge, würde mich ein lautes Hallo empfangen. Und für einen Chef gehörte es sich, sich unter sein Team zu mischen und Smalltalk für den Zusammenhang mit seinen Untergebenen zu treiben. Genau danach stand mir der Sinn zu allerletzt.

Ich wollte nur endlich wieder den Kopf frei bekommen. Im Moment war immer ich es, mit dem etwas gemacht wurde. Egal von wem. Das musste ich ändern. Dazu musste ich aber wissen, was ich machen wollte.

Die Luft draußen war noch sommerlich warm, aber schon mit einem Hauch Nacht am See erfrischt. Genau das Richtige für einen Spaziergang oder einen Lauf am Ufer entlang. Wieder war da die Einbildung beobachtet zu werden. Ich schrieb sie dem allgegenwärtigen Verfolgungswahn zu. Lauschte, ging ein paar Schritte, lauschte erneut. Das Knirschen unter meinen Turnschuhen kam mir unheimlich laut vor. Sobald ich still stand, war da die Geräuschkulisse einer einsamen Nacht am See. Man konnte auch unzutreffend Stille sagen. Der Partybungalow war längst nicht mehr zu sehen. Da lief ich los. Mit jedem Schritt weiter weg von diesem Unglücksort fühlte ich mich leichter. Ich rannte immer schneller. Nur noch weg, hinaus in die Dunkelheit.

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