Operation Zeitensprung - ein utopischer Roman (3)

Veröffentlicht auf von anna

... Ich kündigte mich nicht extra an. Gleich am nächsten Morgen fuhr ich in die verträumte Nordmetropole, die aussah wie vor den alten Kriegen. Mit einem Köfferchen in der Handbummelte ich von dem historischen Backsteinbahnhof über den Katzensteg durch die Altstadt, vorbei am Platz der Jugend, wo die Schienen für die einstmals quietschenden Straßenbahnen in Richtung Neustadt sich ins Pflaster eingegraben hatten, bis zu den Bürgervillen am Ostdorfer See. Ich trat durch den Vorgarten an das Klopfertor. Hier hatte sich seit über 200 Jahren nichts verändert. Alles war alt und gepflegt. So wie ich es aus meiner Kinderzeit kannte. Auch die letzten sieben Jahre waren spurlos an den Häusern vorübergegangen. Ich drückte den Klopfer wie früher zweimal lang, zweimal kurz und wieder zweimal lang herunter.

Mir öffnete ein bleicher, leicht gebeugter alter Mann. Ich grüßte mühsam beherscht mit "Hallo!" und quälte mir ein freudiges Lächeln ins Gesicht. Meinem Vater hingen Strähnen halb gelichteten, aschgrauen Haares über Ohren und Stirn. Ein Bart kräuselte sich ungepflegt. Dads Augen waren braun wie damals, aber das vertraute Funkeln darin war nun staubig matt.

Er dirigierte mich in den Salon. Wenigstens die ausladende Geste dabei hatte sich erhalten.

"Anna, es tut mir Leid. Ich hätte dich nicht hierher einladen sollen."

"Ich kann ja wieder gehen ...."

Dad hatte sich noch nicht gesetzt, ich war wieder aufgesprungen.

"Ich wiß nicht, in welcher Scheiße du steckst, aber ich darf dich nicht noch in meine hineinziehen."

Das Wort Scheiße aus seinem Mund! Ich starrte ihn stumm an. Setzte mich wieder. Sah ein Bild aus der Erinnnerung auftauchen. Ein eingefrorenes Gesicht, voll Hoffnungslosigkeit. "Du wirst deine Mutter nie wiedersehen." Sah mich auf ihn zu gehen, ihn umarmen, hörte mich sagen, "Dann pass ich auf dich auf!". Ich hatte es ernst gemeint, damals mit meinen acht Jahren. Später ließ ich ihn ohne Frau zurück. Und jetzt hatte ich keine Ahnung von seinen Problemen.

"Ich hör dir zu. Bitte erzähl!"

Dad schüttelte den Kopf. "Nein. Du zuerst."

Wie ähnlich wir uns waren. Meine Neugierde war zwar geweckt. Aber vor mir würde er garantiert nichts erzählen ...

 

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